Zwei Monate lang haben wir Ihre Nominierungen gesammelt, vier Wochen lang haben wir sortiert und analysiert, und heute ist es so weit: Die Kandidaten für die Endrunde stehen. Die Jury macht sich jetzt an die schwierige Aufgabe, aus diesen Kandidaten die Shortlist und natürlich den Sieger des diesjährigen Wettbewerbs auszuwählen. Und auch Sie dürfen natürlich, wie im letzten Jahr, Ihren Favoriten wählen. Wenn Sie noch nicht sicher sind, lesen Sie sich in aller Ruhe noch einmal die Analysen der Jury durch, die Sie hier im Blog finden. Die Abstimmung endet am 11. Februar 2012 um Mitternacht!
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Habe eben nochmal ein bisschen in diesem Blog gelesen und festgestellt, dass es hier gar nicht darum geht, Wörter abzustrafen, sondern im Gegenteil nützliche Ergänzungen unserer Sprache zu finden. Ich denke, das kommt im Text oben nicht deutlich genug rüber.
Mein Kommentar zuvor:
Mit dem Wort Anglizismus verbinde ich vor allem negative, unnötige Wichtigtuerei. Deshalb ist mein »Anglizismus des Jahres« natürlich »Haircut«, weil es dem deutschen Ausdruck »Haarschnitt« keine weitere Bedeutung hinzufügen kann.
Noch besser als über einen nervenden Anglizismus abzustimmen [tun wir hier ja gar nicht] fände ich es, brauchbare Eindeutschungen zu suchen [tun wir hier allerdings auch nicht]. Ich fang mal an:
Shitstorm – Kritikwelle, Kritik-Tsunami
Cloud – Fernspeicher
Occupy – würde ich als Eigenname stehen lassen und nicht übersetzen
Scripted Reality – Fantasie-Doku
Stresstest – sowohl Stress als auch Test ist etabliert. Keine Übersetzung nötig.
-gate – spielt auf »Watergate« an, also Eigenname.
Post-Privacy – Daten-Freizügigkeit (klingt sehr holprig, andere Vorschläge?)
Haircut – Haarschnitt, Schnitt
Euro-Bonds – EU-Anleihe
Tablet – Tafelrechner
Cyberkrieg/-war – Netzkrieg
Hacktivism – Hacktivismus (wem das zu blöd klingt, sollte überlegen, was das englische Wort so cool erscheinen lässt. Antwort für Nicht-Selber-Denker: nichts.)
circeln – aufnehmen, befreunden; drückt natürlich alles nicht aus, dass es darum geht, jemanden BEI GOOGLE+ auf seine Leseliste zu setzen. Man sollte sich einen Fachausdruck ausdenken. Wie wäre es mit circeln?
Contentfarm – ???
Barcamp – DingsTreffen ☺
Masterand – braucht es eine Übersetzung? Wenn es nichts genauso Gutes gibt, …
Es geht mir nicht darum, Anglizismen zu verbannen. Oft haben sie spezielle, feine Bedeutungen, die unsere Sprache ergänzen und bereichern. Ich bin nur dagegen, vermeindlich hippe »Fachbegriffe« zu nutzen (primär um sich wichtig zu machen), wenn es wunderbar farbige und kraftvolle Ersatzworte gibt.
Jeder einzelne wirkt an unserer Sprache mit. Wer sich an Wichtig-Macher-Sprechern stört, kann diejenigen oft durch eine simple Rückfrage bloßstellen; wer keine Anglizismen mag, darf gerne Alternativbegriffe verwenden. Wenn sie gut sind, werden sie sich schon durchsetzen.
Alles klar, Occupy als Eigenname, aber Cloud übersetzen 😉
Warum unterscheidet man Mockumentaries und Scripted Reality, wenn beides eine Fantasie-Doku ist?
Ich finde, dass es bei den meisten von diesen Anglizismen Sinn macht, sie nicht zu übersetzen.
Occupy ist für mich so etwas wie Perestroika. Das könnte man zwar auch mit »Umgestaltung« übersetzen, aber dann würde es nicht mehr genau diese eine Bewegung bezeichnen.
Wieso ist Cloud ein Eigenname? Es bezeichnet doch eine Netzwerkstruktur (wolkenartig). Oder gibt es ein Unternehmen, das diese Art des Speicherns zuerst vermarktet hat?
Die Unterschiede zwischen Mockumentary und Scripted Reality kommen mit »Fantasie-Doku« natürlich nicht raus. Es scheint also kein guter Ersatzbegriff zu sein. Wie wär’s mit Drehbuch-Alltag?
Ich finde die meisten Anglizismen hier auch sinnvoll. Ich finde aber auch Übersetzungen sinnvoll, weil sie helfen können, das dahintersteckende Phänomen verständlicher zu machen. Zum Beispiel ist Appendizitis (oder: Cloud-Computing) zwar präzise und muss nicht notwendigerweise zu übersetzt werden – sollen die Leute doch lernen, was das ist! –, aber Blinddarmentzündung (bzw.: Fernspeicher) ist bildhafter und verständlicher.
Scripted Reality – Drehbuch Realität
Post-Privacy – Post-Privatsphäre (post gibt es ja auch im Deutschen)
Contentfarm – Inhaltsbauernhof 😀
„Drehbuch Realität“ entspricht nicht einmal den deutschen Rechtschreibregeln (abgesehen davon dass es auch sonst wenig Sinn ergibt), vielleicht sollten wir es daher besser bei der englischen Scripted Reality belassen…
Scripted Reality entspricht also der deutschen Rechtschreibung? Und eine Umschreibung wie »als Drehbuch geschriebene Wirklichkeit« – so die wörtliche Übersetzung – ergibt mehr Sinn (als z. B. Drehbuch-Leben, Drehbuch-Realität oder Drehbuch-Alltag)? Ich finde zum Beispiel, dass »Scripted Reality« nach echtem Geschehen klingt, das man in ein Drehbuch umgewandelt hat. Und gerade das stimmt ja nicht.
Nur weil die ersten paar Vorschläge nicht perfekt sind, aufs englischen »Original« zu beharren, ist nicht sehr konstuktiv. Den einzigen Vorteil den der Anglizismus hat ist, zuerst dagewesen zu sein. Besser ist er deshalb noch lange nicht.
Du darfst dir natürlich weiterhin mit »Scripted Reality« die Zunge brechen, solltest aber anderen eingestehen, eine bessere Lösung zu finden und Vorschläge nicht mit Argumenten torpetieren, die genauso auf den Anglizismus zutreffen.
Scripted Reality entspricht insofern der deutschen Rechtschreibung, als dass englische Komposita in Getrenntschreibung übernommen werden können, wenn sie eine Kombination aus Adjektiv und Substantiv sind.
Im Übrigen breche ich mir bei Scripted Reality überhaupt nicht die Zunge und ich wage zu behaupten, dass es der Mehrheit der Deutschen da genauso geht. Scripted Reality enthält jedenfalls keine Laute, die deutschen übermäßig Schwierigkeiten bereiten, und wenn das englische r ein Problem ist, kann man das ja immer noch eindeutschen.
„Drehbuch Realität“ is schon deswegen verfehlt, weil es nicht berücksichtigt, dass „Scripted Reality“ ja eigentlich aus einer Abkürzung von „Scripted Reality Show“ heraus entanden ist, das „Reality“ also nicht per se für „Realität“ sondern für ein bestimmtes Showformat steht, das eben darin bestehen soll die sog. „Wirklichkeit“ abzufilmen.
Es sollte dann also schon wenigstens heissen: „Drehbuchrealitätsfernsehen“. In der DDR hätte sich der Begriff bestimmt durchgesetzt : Drehbuchrealitätsfernsehen auf Weltniveau 😉
Wer Anglizismen eindeutschen möchte, tut gut daran, diese nicht wortwörtlich zu übersetzen. Besser ist, das englische Wort komplett zu vergessen und sich zu fragen, was man eigentlich bezeichnen möchte. Es ist nicht wichtig, ob Scripted Reality früher mal Scripted Reality Show oder Scripted Reality Acting Movie Documentary Fiction hieß. Es geht um die Frage: Was macht das Sendeformat aus, das jetzt unter dem Begriff Scripted Reality läuft. Alte Zöpfe in einer Übertragung mitzuschleppen behindern nur die Brauchbarkeit des deutschen Neologismus.
@impala: ˈskrɪptɪd riˈæləti enthält mit dem æ mindestens einen Laut, den es in der deutschen Sprache nicht gibt. Wenn man einer PR-Studie von 2007 glauben schenkt (http://www.ex-word.de/de/presse/artikel/12994833/), spricht jeder zweite Deutsche kein gutes Englisch. Deine Einschätzung, dass die Mehrheit der Deutschen keine Probleme mit Anglizismen hätte, kann ich nicht teilen. Höchstens ist es Ihnen egal, ob man es womöglich Skriptet Reehälittie ausspricht. Wen ein Leerzeichen zwischen »Drehbuch Realität« so kümmert, den kann eine schlampige, falsche Aussprache doch auch nicht kalt lassen, oder?
Davon abgesehen habe ich hier bisher zwar einige Argumente gehört, die für die Beibehaltung von Anglizismen stehen, aber noch keines, das gegen eine gute Eindeutschung spricht.
Mich würde interessieren, was Anglizismenfreunde hier zu »Haircut« sagen. Ist das ein guter* Anglizismus?
* »gut« ist in dieser Abstimmung leider überhaupt nicht definiert – deswegen finde ich auch diese Aktion etwas problematisch. Ich behaupte, mindestens ein Drittel hat vor dem Abstimmen nicht verstanden, ob er/sie einen besonders brauchbaren oder besonders nervenden Anglizismus wählen soll. Siehe auch Kommentar von BrunO.
Was ist für euch ein »guter« Anglizismus? Für mich ist er in seiner Bedeutung sehr differenziert, in der Bevölkerung einigermaßen bekannt, aussprechbar auch ohne große Englischkenntnisse und so verständlich, dass man zumindest den thematischen Bereich eingrenzen kann, aus dem er stammt. (Was trotzdem nicht heißt, das er eine Eindeutschung komplett ausschließt)
Und hier nochmal die Frage an alle, die eine Übertragung ins Deutsche verabscheuen: Ist »Haircut« ein guter Anglizismus?
Kritik-Tsunami? Eindeutschung = Ersetzen englischer durch japanische Wörter? Faszinierend … mal abgesehen davon, dass Shitstorm eine „spezielle, feine Bedeutung“ hat, die durch Kritik-Tsunami (oder -welle) nicht widergegeben wird.
War ja klar, dass ein Fäkalwort zuoberst kommt.
Skandalös, ja.
Wenn es hier nur um Nervwörter geht, mache ich nicht mit. Ich finde es normal, daß sich Sprachen mischen oder sollten wir heute noch mit römischen Zahlen statt mit arabischen rechnen und huch, wo sind die deutschen Zahlen? Anglizismen nerven, wenn sie für kommerzielle Werbung oder von Politikern als Worthülsen mißbraucht werden. Fukushima und TEPCO sind Scheißwörter! Warum nicht mal den nützlichsten Anglizismus wählen?
BrunO – genau das machen wir doch!
Ja wie, Fukushima und TEPCO sind Anglizismen , die für kommerzielle Werbung oder von Politikern als Worthülsen mißbraucht werden und komplett unnütz sind, oder was wollen Sie mitteilen???