Der Anglizismus des Jahres 2015 ist der Slogan Refugees Welcome.
1. Refugees Welcome (Sieger und Publikumsliebling)
2. -(e)xit
3. spoilern
Refugees Welcome. Der Ausruf Refugees Welcome entstand in den neunziger Jahren als politischer Slogan von Flüchtlingsinitiativen in verschiedenen Ländern. Seit Anfang des Jahrtausends findet er sich auch in Deutschland auf Transparenten, Flyern, Aufklebern und T-Shirts linker Aktivist/innen, sowie als Eigenname verschiedener Vereine und Gruppen. Seine Ausbreitung in den öffentlichen Sprachgebrauch begann aber erst 2013 mit der zunehmenden Präsenz dieser Gruppen in der intensiver werdenden medialen Diskussion um Flucht und Flüchtlinge. Seinen endgültigen Durchbruch erfuhr Refugees Welcome dann 2015, als sich der Slogan aus seinem ursprünglichen aktivistischen Zusammenhang löste und auf breiter gesellschaftlicher Ebene zu einem sprachlichen Ausdruck gelebter Willkommenskultur und einer selbstbewussten Antwort auf das althergebrachte „Ausländer Raus“ des rechten Lagers wurde. Die Wirkungsmacht des Slogans zeigte sich auch daran, dass er bald zum sprachlichen Bezugspunkt für konservative Kritik an der allgemeinen flüchtlingsfreundlichen Stimmung wurde.
Überzeugt hat die Jury am Slogan Refugees Welcome neben seiner öffentlichen Präsenz und seiner zentralen Rolle in der gesellschaftlichen Diskussion um das deutsche Selbstverständnis im Umgang mit Flüchtlingen vor allem, dass hier nicht nur ein Wort, sondern eine ganze Aussage entlehnt wurde. Firmen verwenden englischsprachige Slogans regelmäßig, um eine globale Rolle des eigenen Unternehmens zu signalisieren. Dass aber die Sprachgemeinschaft von sich aus einen solchen Slogan entdeckt und übernimmt, ist selten. Mit Refugees Welcome überwand die deutsche Sprachgemeinschaft einerseits die unmittelbare Sprachbarriere zu den Flüchtlingen und signalisierte andererseits fast nebenbei Weltoffenheit. Obwohl der Slogan seinen Ursprung im Englischen hat und weiterhin international von Flüchtlingsinitiative und auf Demonstrationen verwendet wird – oft in der längeren Form Refugees Welcome Here –, wurde er im Jahr 2015 im deutschen Sprachraum besonders intensiv genutzt.
-(e)xit. Das Wort Grexit als Verschmelzung von Greece („Griechenland“) und exit („Ausstieg“) gibt es seit Anfang 2012, als zum ersten Mal die Diskussion um einen Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone aufkam. Das Wort exit ist hier noch klar zu erkennen. Mit Austrittsdebatten über immer neue Länder kamen auch immer neue Verschmelzungen hinzu – zum Beispiel Spexit (Spanien), Brexit (Großbritannien), Eirexit (Eire, also Irland), Euxit (Europa), Fixit (Finnland), Frexit (Frankreich), Huxit (Ungarn), Porxit (Portugal) und das nicht ganz ernst gemeinte Säxit (Sachsen). Die hohe Produktivität dieses Wortbildungsmusters führt zu einer Verselbstständigung des Wortbestandteils –xit, bei dem das e von exit nicht mehr unbedingt erhalten bleibt (zum Brexit gibt es z.B. auch die Variante Brixit, zum Spexit auch den Spaxit). So entsteht ein Wortbildungselement -(e)xit mit der Bedeutung „Austritt/Ausschluss aus einer geo-politischen Einheit“.
spoilern. Verrät jemand vorab wichtige Teile oder gar das Ende eines Buches oder Films, nennt man die verratene Information im Englischen spoiler (von to spoil, „verderben“). Im Deutschen wurde daraus kurzerhand ein Verb – ein schöner Beleg dafür, dass das Deutsche nicht, wie oft behauptet, hilflos von englischen Lehnwörtern überflutet wird, sondern dass die Sprachgemeinschaft englisches Lehngut aktiv und kreativ ins Deutsche integriert. Seinen überraschenden Aufstieg in den letzten Jahren hat das Wort zwei Entwicklungen zu verdanken: Erstens tauschen sich Menschen in sozialen Netzwerken zeitnäher und mit größerer Reichweite über ihren Medienkonsum aus, als dies früher der Fall war. So vervielfältigen sich die Gelegenheiten für absichtliches oder unfreiwilliges Spoilern. Zweitens führt die zunehmend wichtigere Rolle von Streamingdiensten dazu, dass nicht nur Filme und Bücher, sondern auch Fernsehserien nicht mehr von allen gleichzeitig konsumiert werden, was zusätzliche Situationen schafft, in denen die einen das Ende einer Folge oder einer ganzen Serie schon kennen und thematisieren können, während die anderen sie noch nicht gesehen haben.
(Berlin, 26.1.2016)
[Laudatio für Refugees Welcome im Sprachlog]
Die Jury
- Prof. Dr. Anatol Stefanowitsch, Vorsitzender. (anatol.stefanowitsch@anglizismusdesjahres.de)
- Susanne Flach, M.A. (susanne.flach@anglizismusdesjahres.de)
- Kristin Kopf, M.A.
- Dr. Adrien Barbaresi
Materialien zur freien Verwendung
Offizielle Pressemitteilung zum Anglizismus des Jahres 2014 (Deutsch)
PDF (100 KB) – DOC (40 KB) – ODT (40 KB)
Wörterwolke (JPEG)
1200 × 800 – 600 × 400 – 480 × 320
Pingback: Mehr Exits: Öxit und Legxit | better media - The Quality Content Company
Pingback: Publikumsliebling 2015: Refugees Welcome | ANGLIZISMUS DES JAHRES
Pingback: Laudatio für den Anglizismus des Jahres 2015: Refugees Welcome – Sprachlog