Fast drei Monate lang hat die Jury Nominierungen gesichtet und die aussichtsreichsten Wortkandidaten ausführlich auf ihre Tauglichkeit geprüft, Anglizismus des Jahres 2013 zu werden. Aus fast hundert Bewerbungen wurden zunächst die sechzehn Wörter ausgewählt, die den Kriterien am besten entsprachen, die also a) ganz oder teilweise aus englischem Wortmaterial bestehen, b) im Jahr 2013 in den Sprachgebrauch einer breiteren Öffentlichkeit gelangt sind, und c) auf interessante Weise eine Lücke im deutschen Wortschatz füllen. Nach einer ausführlichen Diskussion dieser sechzehn Wörter schickt die Jury nun elf Kandidaten in die Endrunde. Während sie hinter verschlossenen Türen hitzig debattiert, um pünktlich am 28. Januar 2014 das Ergebnis verkünden zu können, läuft bis Donnerstag auch die Publikumsabstimmung, bei der Sie Ihren persönlichen Liebling wählen können. [Die Abstimmung ist beendet.]
Hier noch einmal die elf Wortkandidaten im Überblick, mit Links zu den entsprechenden Blogbeiträgen im Sprachlog und lexikografieblog und dem Fazit der Jurymitglieder, die sich das jeweilige Wort näher angesehen haben.
- Big Data: „Big Datajedenfalls ist 2013 in den Massenmedien und in der Diskussion angekommen. Grammatisch muss sich noch zeigen, ob eine weitere Integration dieses Ausdrucks ins Deutsche möglich und notwendig ist; inhaltlich besteht jedenfalls aktuelles Interesse an dem Thema. Somit ein recht guter Kandidat für denAnglizismus des Jahres 2013!“ (M. Mann)
- Cyber–: „Neben dem klaren Häufigkeitsanstieg von Wörtern mit Cyber– sind die zunehmende Integration sowie die Bedeutungsverschiebung ein klarer Hinweis darauf, dass es sich bei dem Präfix trotz seines Alters um ein dynamisches und aktuelles sprachliches Phänomen handelt. Ich halte es deshalb für einen sehr viel stärkeren Kandidaten, als es vielleicht zunächst den Anschein hatte.“ (A. Stefanowitsch)
- Fake-: „Ob es 2013 war, das primär für die Verbreitung im Bewusstsein einer breiten Sprachöffentlichkeit verantwortlich war — das würde ich so nicht unterschreiben. Es ist ja verbreitet, aber hat sich über Jahre schleichend ausgebreitet… [V]ermutlich dürften es alle Kandidaten außer Nomen, Verben und Adjektiven immer schwer haben, dieses Kriterium vollauf zu erfüllen. Ein Funktionselement braucht sozusagen Inkubationszeit. Geben wir sie ihm.“ (S. Flach)
- –gate: „Die gate–Bildungen werden immer kurzlebiger, weil sie oft unwichtige Ereignisse bezeichnen und so schnell wieder vergessen sind, wie sie aufkommen. Gerade durch die Ausweitung auf Ereignisse von kurzer Relevanz wird … der Einsatzbereich für –gate viel größer, es können also bedeutend mehr Bildungen entstehen als zuvor, die Produktivität des Suffixes steigt. Ich würde ihm daher dieses Jahr eine echte Chance einräumen.“ (K. Kopf)
- Hashtag: „Wurde es zunächst als reiner Verschlagwortungsmechanismus betrachtet, so bildeten sich darauf basierend bald Hashtags heraus, die einen Tweet kommentierten … oder in einen Zusammenhang einordneten… Diese pragmatischen Funktionen finden sich nun auch in der gesprochenen Sprache, wo sie dazu dienen, eine Erzählung zu bewerten oder zu rahmen… Hashtag als Anglizismus des Jahres 2013? #dafür.“ (K. Kopf)
- Paywall: „Was die Frequenzsteigerung angeht, hat Paywall dieses Jahr nichts zu bieten… Ich halte Paywall für ein sehr interessantes Wort – und zwar gerade wegen seiner Entsprechung Bezahlschranke. Die ist jedoch der zweite Grund, warum ich Paywall als Anglizismus des Jahres 2013 keine Chancen einräume. Wenn ich wild spekulieren darf: Ich vermute, dass die Hochzeit (langes o!) von Paywall schon vorbei ist.“ (K. Kopf)
- performen: „Kandidat performen [ist] vollständig etabliert, sogar in traditionellen Kontexten (und Medien). Es ist auch unproblematisch integriert ins deutsche System, verhält sich syntaktisch anders als seine angeblichen Synonyme und hat eine Lücke besetzt… Und trotzdem fehlt irgendwie das gewisse Etwas, dieses kribbelnde frequenzbasierte AdJ-Wahl-Aha-Erlebnis, das Alleinstellungsmerkmal 2013. “ (S. Flach)
- Selfie: „Für unsere Wahl hat [Selfie] das gewisse Etwas, die kulturelle Bedeutung, die Verbreitung im Sprachgebrauch, den Frequenzzuwachs für 2013, die linguistische Verzückung bei self portrait > selfie, die Produktivität bei der Bildung von Ableitungen und Komposita, und natürlich die Benennung eines Konzepts, was schon alt ist, aber bisher keinen eigenen Begriff hatte. Aber — es fehlt ein wenig der Beitrag spezifisch fürs Deutsche…“ (S.Flach)
- Thigh Gap: „Ausnahmsweise würde ich … dafür plädieren, … das deutsche Oberschenkellücke zu verwenden, denn Thigh Gap klingt als englisches Lehnwort mehr nach glamourösem Modetrend als nach einer neutralen Beschreibung eines anatomischen Zwischenraums… Aber meine Meinung zählt hier natürlich genauso wenig, wie sonst die Meinung von Sprachnörglern… Am Ende zählt, wofür die Sprachgemeinschaft sich entscheidet. Ich würde Thigh Gap deshalb als Außenseiter im Rennen um den Anglizismus des Jahres einordnen, aber nicht als chancenlos.“ (A. Stefanowitsch)
- Veggie Day: „Dafür spricht, dass er durch die kontroverse Berichterstattung wirklich hohen Bekanntheitsgrad erlangt hat [und] dass es einen allgemeinen Trend zu bewussterer Ernährung gibt…. Dagegen spricht, dass der Ausdruck als politisches Schlagwort wohl keine große Zukunft mehr hat, da er seit dem Grünen-Debakel als relativ tot gelten muss [und] dass “eher” deutsche Alternativen gerade deswegen evtl. bevorzugt gewählt werden“ (M. Mann)
- Whistleblower: „[Die] Diskussion um Whistleblower/innen wird sicher so schnell nicht verstummen, da sich … ein Wandel im Verhältnis zwischen Politik und Wirtschaft auf der einen und der Öffentlichkeit auf der anderen Seite abzeichnet. Die Forderung nach mehr Transparenz von Seiten der Öffentlichkeit wächst, und … das Whistleblowing [wird] auch nach Snowden eine wichtige Rolle spielen. Insofern dürfte uns das Wort Whistleblower/in langfristig erhalten bleiben.“ (A. Stefanowitsch)